Vor neun Jahren verpflichtete die TSG Hoffenheim gleich sieben B-Junioren des VfL Neckarau. Aber der Weg zum Profi ist hart, nicht alle schafften den Sprung. Freunde sind sie geblieben.
Natürlich beginnt alles auf einem Bolzplatz. Abseits des neugebauten Kunstrasenplatzes, neben der maroden Tribüne des Neckarauer Waldwegstadions, die sich das Unkraut mit der Zeit zurückgeholt hat, kicken ein paar Kids auf einem alten Kunstrasen. Sie haben ihre Rucksäcke ins Tor geworfen, ihre Schreie scheuchen die Krähen aus den Bäumen und hinein ins anliegende Wohngebiet, und wahrscheinlich sind sie den sieben Männern Mitte Zwanzig, die sich ein paar Meter weiter im Vereinsheim nach einigen Jahren das erste Mal wiedersehen, nicht eben unähnlich. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, dass sie selber sich auf ebenjenem Kunstrasen die Bälle um die Ohren schossen.
Diese sieben Freunde – Marco Terrazzino, Pascal Groß, Manuel Gulde, Robin Szarka, Marcel Gruber, Anthony Loviso und Philipp Meyer – könnte man als Goldene Generation Mannheims bezeichnen. Sieben Jungs mit herausragendem Talent, die Mitte der Nuller-jahre im beschaulichen Stadtteil Neckarau gemeinsam Fußball spielen, Spaß haben und fast wie nebenbei die ersten Schritte zum Profitum gehen. Und die sich nun, eine Dekade später, in ihrem alten Vereinsheim zur Begrüßung mit einer Mischung aus Euphorie und Vertrautheit in den Arm nehmen, wie es alte Freunde tun, die sich länger nicht gesehen haben.» Anthony und Marco kenne ich seit den Bambinis«, sagt Pascal Groß, während er sich neben sie setzt und in den alten Mannschaftsfotos zu stöbern beginnt, die verstreut auf dem Tisch liegen. »Da waren wir vier Jahre alt.«
»Wir haben gehofft, dass die Gegner nicht kommen«
Diese Bambini-Zeit liegt knapp 20 Jahre zurück, und nicht viel später wird den Neckarauer Jugendtrainern bewusst geworden sein, dass sich diese Kids in ihrem Team deutlich von den anderen abheben. »Wir haben einfach jedes Spiel gewonnen«, sagt Marcel Gruber und zeigt wie zum Beweis auf einen alten Zeitungsartikel, der die jungen Männer als Kinder zeigt, die sich um einen silbernen Pokal scharen. Ab der D-Jugend spielen sie zusammen, in vier Jahren steigen sie viermal auf, aus der Kreisliga in die zweithöchste Spielklasse, die Oberliga. In einer Saison schießen sie 187 Tore und bekommen nur ein Gegentor. »Nachdem Pascal Scheiße gebaut hat«, grinst Philipp Meyer.
Goalgetter Marco Terrazzino, Spielmacher Pascal Groß, auf dem rechten Flügel Philipp Meyer, Marcel Gruber auf der Sechs, die Abwehr ein Bollwerk mit Manuel Gulde, Anthony Loviso und Robin Szarka – das Team ist in der Jugend so dominant, dass manche Gegner gar nicht erst anreisen. »Und wir haben gehofft, dass sie nicht kommen. Dann haben wir gegeneinander gespielt, das hat mehr Spaß gemacht«, sagt Pascal Groß. Eine echte goldene Generation, mitten im beschaulichen badischen Jugendfußball.
»Wir hatten nicht mal einheitliche Trainingskleidung«
Mit dem anhaltenden Erfolg werden auch die Gegner größer. Der VfB Stuttgart fährt im Mannschaftsbus vor, »wir hatten nicht mal einheitliche Trainingskleidung«, sagt Philipp Meyer. »Unser Betreuer hat vor dem Spiel Plastikbecher mit Wasser gefüllt und ins Eisfach gestellt. Das war dann unser Eisspray«, fügt Groß an, und die Jungs lachen lauthals. »Durch die vielen Erfolge wurden wir irgendwann wie ein Profiteam behandelt, sind zu Turnieren mit den Bundesligisten eingeladen worden, die wir dann auch noch gewonnen haben«, so Meyer. Die Jugend von Hoffenheim wird mit 4:2 im Finale des Badischen Pokals besiegt, obwohl höherklassig und ein Jahr älter. Klar, dass die Bundesligaklubs bald Schlange stehen. Gruber und Gulde bekommen seit der U15-Nationalelf regelmäßig Angebote größerer Klubs. »Aber wir haben uns hier wohlgefühlt«, sagt Gruber. »Außerdem hatten wir mit Stephan Groß einen Trainer, der uns alles beigebracht hat, was man im höherklassigen Fußball braucht.«
Stephan Groß, der Vater von Pascal Groß und einst selber Bundesligaprofi, ist eine Institution in der Jugendarbeit des Rhein-Neckar-Gebiets. Beim VfL professionalisiert er das Training, organisiert Jugendcamps, mäht sogar den Rasen, wenn es sein muss. Zur exzellenten sportlichen Ausbildung kommt eine gewisse Härte, die den hochtalentierten Teenagern gut tut. »Wir mussten ihn mit Handschlag begrüßen, Danke und Bitte sagen. Wer eine Minute zu spät zum Training kam, durfte nicht spielen«, sagt Robin Szarka. Doch die Jungs wissen, dass sie von ihrem Trainer profitieren können. »Unter meinem Vater waren alle schon eine Stunde vor dem Training da. Jeder wollte sich verbessern«, sagt Pascal Groß. »Außer Manuel, der konnte schon alles«, lacht Marco Terrazzino.
»Sie waren einfach zu gut.«
Für Stephan Groß selbst war klar, dass Neckarau nur ein Sprungbrett für die Talente sein würde. »Es hat geschmerzt, als sie gegangen sind, aber es war richtig. Sie waren einfach zu gut.« Die Nachwuchsleistungszentren der umliegenden Profiklubs können den Jungs Bedingungen und einen Wettbewerb bieten, wie es der VfL ab einem gewissen Punkt nicht mehr vermag. Kaiserslautern, Karlsruhe, Stuttgart, Frankfurt – Die Frage ist längst nicht mehr, ob, sondern wohin sie wechseln. »Ich hätte eigentlich überall hingehen können«, sagt Manuel Gulde, »wir hatten alle mehrere Angebote.«
Dass sich gleich alle sieben für Hoffenheim entscheiden, entwickelt sich nach und nach. Gulde ist der erste, der zur nur 45 Autominuten entfernten TSG tendiert, nachdem Trainer Ralf Rangnick und Mäzen Dietmar Hopp ihn zu einem persönlichen Gespräch treffen. Terrazzino und Groß ziehen nach einem Gespräch mit Rangnick nach, sukzessive entscheiden sich auch die übrigen, das Angebot aus dem Kraichgau anzunehmen. »Hoffenheim hat uns parallel angesprochen. Wir haben nicht gesagt: Komm, wir gehen da alle hin. Jeder hat sich für sich Gedanken gemacht«, sagt Anthony Loviso. »Aber als klar war, dass wir alle nach Hoffenheim gehen, haben wir uns riesig gefreut.«
Vier Jahre nach der Kreisliga stehen sie im Finale um die Deutsche Meisterschaft.
Beim 2007 noch aufstrebenden Fußballprojekt im Kraichgau erwartet die Jungs eine andere Welt. Ein Ufo von Trainingszentrum ist im Bau, fortan kümmern sich eine Ernährungsberaterin, drei Physiotherapeuten und ein eigener Athletiktrainer um die sieben Neuzugänge. Was sie freilich nicht davon abhält, sich nach dem Training in Hoffenheim noch in Neckarau auf dem Bolzplatz zu treffen, um weiterzukicken, die Taschen voller Schokoriegel und Haribo. »Wenn das unser Trainer gewusst hätte, hätte es riesigen Ärger gegeben«, sagt Pascal Groß.
Dass es den nicht gibt, liegt daran, dass die Jungs auch in der Bundesliga eine Klasse für sich darstellen. »Plötzlich haben wir gemerkt, dass wir auch die Top-Talente aus ganz Deutschland schlagen können«, sagt Gulde. Nach kleineren Startschwierigkeiten schwebt die TSG durch die Saison, Marco Terrazzino macht 24 Tore, auch die übrigen werden zu Stützen des Teams. »Irgendwann wussten wir einfach, dass wir gewinnen. Selbst wenn wir in Rückstand gerieten«, so Groß. Sie werden Erster der B-Jugend Süd/Südwest, im Halbfinale überrollen sie Hertha BSC mit 6:1. Vier Jahre, nachdem die sieben Kumpels noch in der Kreisliga kickten, stehen sie im Finale um die Deutsche Meisterschaft.
»Vielleicht hätte ich irgendwann Regionalliga spielen können«
Und wieder wird alles eine Nummer größer. Das Team übernachtet vor dem Spiel im Hotel, es gibt ein Bankett mit Vertretern des DFB. Jeder Spieler bekommt einen Brief von Trainer Guido Streichsbier, in dem in warmen Worten die Stärken der Jungs betont werden, am Finaltag hängen im Kabinengang gerahmte Bilder der Spieler aus ihrer Kindheit. »Um uns zu zeigen, dass wir einfach Spaß haben sollen, so wie früher«, sagt Terrazzino. Die Motivation wirkt, Hoffenheim gewinnt 6:4 gegen Borussia Dortmund, sechs der sieben Jungs stehen in der Startelf, vier von ihnen treffen. Der VfL Neckarau wird, ein bisschen zumindest, Deutscher Meister. »Ein unbeschreibliches Gefühl«, sagt Marcel Gruber, das die Kumpels mit dem ersten leichten Rausch ihres Lebens feiern, auf einer Party, die – schließlich sind sie angehende Profisportler – um ein Uhr von den Betreuern aufgelöst wird.
Für einen ist der gemeinsame Weg nach der Meisterschaft aber bereits zu Ende. Philipp Meyer, im Laufe der Saison nur noch Joker, wechselt zu Waldhof Mannheim. »Mir wurde gesagt, dass es für die U19 der TSG nicht reicht.« Er beginnt, neben der Schule als DJ zu arbeiten, und während er mit dem neuen Klub in die A-Jugend-Bundesliga aufsteigt und noch ein Jahr auf höchstem Juniorenniveau spielt, rutscht er durch seine Tätigkeit als DJ in ein kleines Produktionsteam, Laserkraft 3D, das mit „Nein, Mann!“ 2010 einen internationalen Charterfolg hat. Fortan arbeitet Meyer als Tourmanager der Gruppe; statt auf Fußballplätzen verbringt er seine Wochenenden nun in den großen Klubs der Technoszene. »Ich bin zwei Jahre lang durch ganz Europa getourt, war jedes Wochenende in einem anderen Klub.« Die Musik wird zum neuen Lebensinhalt, Meyer beginnt ein Studium an der Popakademie Mannheim, mittlerweile lebt er als Musikmanager in Berlin. »Vielleicht hätte ich irgendwann Regionalliga spielen können. Aber ich wusste, dass es für ganz oben nicht reicht, und rumdümpeln wollte ich nicht. So wie es ist, bin ich froh.«
Nach fünf Jahren Party kommt der Kater
Für die übrigen sechs Freunde geht der Weg derweil weiter nach oben. Gulde und Terrazzino werden mit der goldenen Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet, nach der Meistersaison gehören Terrazzino, Groß und Gulde den Profis an und feiern nach und nach ihre Bundesligadebüts. Während vor allem Marco Terrazzino als Next Big Thing gehypt wird, arbeiten die anderen in der U19 an der Profikarriere. Philipp Meyer verfolgt die Spiele der TSG am Wochenende in der Sky-Einzeloption und hofft darauf, dass er seine Kumpels sieht. »Das war richtig geil, wenn sie eingewechselt wurden. Ich habe immer sofort per SMS gratuliert.« Auch Szarka, Loviso und Gruber gönnen ihren Kumpels den Erfolg, Neid gibt es nicht. »Ich habe mich für sie gefreut. Ich war auch nicht enttäuscht, dass ich noch nicht bei den Profis dabei war. Ich dachte, dann soll es eben noch nicht sein«, sagt Robin Szarka. Doch die Euphorie weicht schnell den Realitäten des Profigeschäfts. Manuel Gulde zieht sich eine Verletzung nach der anderen zu, Terrazzino und Groß kämpfen mit der unbekannten Drucksituation in einem Profikader. Nach fünf Jahren Party kommt der Kater.
»Der Hype war viel zu viel«, sagt Terrazzino über diese Zeit, und man sieht, wie ihm die Lockerheit, die er an sich hat, schlagartig abgeht, wenn er darüber spricht. „Als ich einmal leicht verletzt war, war sofort eine Doppelseite über mich in der Zeitung, ›Rangnick bangt um dieses Talent‹ war der Titel. Da war ich 17 und dachte nur: Was ist denn jetzt los?! Ich war noch nicht bereit für die Bundesliga, weder mental noch körperlich.« Der Übergang vom Jugend- zum Herrenbereich droht im ersten Anlauf zu scheitern, auch weil der Verein ungeduldig ist. »Es wurde zu früh zu viel von uns gefordert. Bei meinem vorletzten Spiel für die Profis sagte Rangnick in der Halbzeit zu mir: ›Du kommst jetzt rein und drehst das Spiel.‹ Aber ich spielte nicht gut, ich war ängstlich. Nach der Partie kritisierte er mich öffentlich auf der Pressekonferenz«, sagt Terrazzino, und würde man ihn erst in diesem Moment kennenlernen, man würde nicht verstehen, was die anderen meinen, wenn sie ihn als »Gute Seele« oder »Spaßvogel« beschreiben.
»Wir sind verheizt worden.«
Es sind vor allem der hohe Erwartungsdruck und die Doppelbelastung mit Schule bzw. Berufsschule und Ausbildung, die Terrazzino und Groß zusetzen. »Ich bin jeden Tag, Marco zweimal die Woche um sechs Uhr früh mit dem Zug zur Schule gefahren. Tagsüber war dann Training und spätabends war ich wieder zu Hause«, sagt Groß. »Es gab Tage, da saßen Marco und ich morgens im Zug, haben uns angeguckt und gesagt: Komm, wir bleiben einfach sitzen. Wir fahren einfach weiter, egal. Ich war nur noch erschöpft.« Sie trainieren mit den Profis, helfen in der U19 und U23 aus, haben gesondertes Athletiktraining – der Sport ist parallel zur Schule zum Beruf geworden. Und überfordert die Jungs. »Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Fußball«, sagt Terrazzino. »Wir sind verheizt worden.«
Auch bei den übrigen stockt die Karriere. Der richtige Trainer, Gesundheit, Glück – auf dem Weg zum Profi spielt alles eine Rolle. Marcel Gruber, der mit 15 Jahren der erste Juniorennationalspieler aus der Gruppe war, verletzt sich zu einem ungünstigen Zeitpunkt, der Verein lässt ihn fallen. Gruber wechselt zu Astoria Walldorf in die Verbandsliga, für die er eigentlich zu gut ist. Nach einem gescheiterten Versuch, über die Reserve des FSV Frankfurt noch den Sprung in die zweite Liga zu schaffen, entscheidet er sich 2013 für ein Architekturstudium in Darmstadt, wo er nun seinen Master macht. »Für mich ist es nicht optimal gelaufen. Aber trotzdem will ich die Zeit nicht missen. Damals war es die richtige Entscheidung, nach Hoffenheim zu gehen.«
»Ich bin in ein ziemliches Loch gefallen«
Ähnlich wie Gruber ergeht es Anthony Loviso, der mittlerweile im Vertrieb eines italienischen Unternehmens in Mannheim arbeitet. In der A-Jugend noch Kapitän, eröffnet ihm der damalige Sportdirektor Ernst Tanner, dass es für den Profibereich nicht reicht. Ein Einschnitt, mit dem Loviso lange zu kämpfen hat. »Ich bin in ein ziemliches Loch gefallen und durch die Gegend getingelt, habe mal in Cottbus mittrainiert oder bei Odense BK. Aber letztlich war es utopisch, dass ich Profi werde. Ich habe von Anfang an zu wenig für meinen Traum getan. Wenn die anderen im Kraftraum waren, habe ich in der Küche eine große Schüssel Kellogg’s gegessen«, sagt er heute.
Für die Beliebigkeit, mit der eine Fußballerkarriere in die eine oder andere Richtung führen kann, steht exemplarisch Pascal Groß. Gemeinsam mit Terrazzino bei Hoffenheim in die U23 zurückgestuft, geht er 2011 zum KSC in die zweite Liga und schließlich nach Ingolstadt. Unter Marco Kurz ist Groß »plötzlich Sechser Nummer sechs im Kader. Wenn die anderen zum Trainingsspiel antraten, habe ich dem dritten Torwart auf dem Nebenplatz die Bälle aufs Tor geschossen.«
»Ich habe nie wieder so viel Spaß gehabt«
Spielbetrieb kennt er nur noch aus der vierten Liga, und wäre nicht Marco Kurz entlassen worden, wer weiß, wohin der Weg Groß geführt hätte. Aber der neue Trainer Ralph Hasenhüttl setzt auf ihn, in der Folgesaison gibt er 23 Torvorlagen, die meisten seit Beginn der Datenerfassung. Ohne Groß wäre der FCI niemals in die Bundesliga aufgestiegen, ohne Kurz’ Misserfolg aber wäre Groß wohl nicht zum besten Spieler der zweiten Liga geworden. Ähnlich hätte es für einige andere aus der Gruppe auch laufen können. Talent, so scheint es, ist das eine. Alles andere ist ein großes Hätte-Wäre-Wenn. »Ich habe nichts anders gemacht als vorher. Ich habe einfach nur Vertrauen gespürt«, sagt Groß.
Er hat es vom kleinen Mannheimer Stadtteilverein in den Profifußball geschafft, auch Manuel Gulde ist nach vielen Verletzungen mittlerweile Stammspieler in Karlsruhe, ebenso wie Marco Terrazzino beim VfL Bochum, dessen Elastico-Trick im Ligaspiel gegen Fürth – eine technisch hochwertige Finte des Brasilianers Ronaldinho – noch Wochen danach beim Klassentreffen für Gelächter sorgt. Auch Robin Szarka, der von allen am längsten in Hoffenheim bleibt, ist im Profifußball gelandet, bei Energie Cottbus. Dass er so lange in Hoffenheims U23 auf seine Chance wartete, wurde derweil vom Schicksal belohnt: Sein Bundesligadebüt feierte Szarka in einem der denkwürdigsten Spiele der letzten Jahre, Hoffenheims 2:1 in Dortmund am letzten Spieltag der Saison 2012/13, als sich die TSG glücklich in die Relegation rettete. Szarka erlebte gleich bei seinem Debüt eine Partie, auf die andere ihr Leben lang warten müssen. »Vor 80 000 Leuten, ich war völlig unvorbereitet. Und dann so ein Spiel. Das war eine Genugtuung, weil ich nie aufgegeben habe.«
»Das ist im Profibereich etwas ganz Besonderes«
Fragt man die Sieben, wie sie an die Zeit in Neckarau zurückdenken, schweigen sie eine Weile. »Das war die geilste Zeit. Ich habe nie wieder so viel Spaß gehabt«, sagt Pascal Groß, und die anderen nicken bedächtig, als gedächten sie eines weiteren, achten Kumpels, der es leider nicht zum Treffen geschafft hat. Aber die Wehmut beim Gedanken an die Jugend weicht schnell all den Geschichten, die die gemeinsame Vergangenheit fabriziert hat. Die Spiele auf dem Sportplatz Rheingoldstraße, wo die Bäume so dicht ins Feld wuchsen, dass Groß’ Ecken in den Ästen hängenblieben. Die Duelle gegen die Mannheimer Platzhirsche vom VfR oder von Waldhof, als sich sämtliche Schulklassen der Jungs zu hunderten um die Bande drängten. Die vielen, vielen Abende, die sie nach dem Training noch auf dem Platz blieben, gegen die Dämmerung ankickten, bis dann zu Hause das Essen wartete. »Wir haben auch abseits des Platzes unglaublich viel miteinander gemacht. Poker gespielt, Pizza bestellt. Einfach abgehangen«, sagt Meyer, und die Freunde freuen sich beim Gedanken an eine Zeit, in der sie mit fünf Euro am Pokertisch saßen und jeder Euro Einsatz sorgsam abgewägt werden wollte.
»In dieser Konstellation haben wir uns das letzte Mal wahrscheinlich 2007 im Mannschaftsbus gesehen«, sagt Groß, der Marco Terrazzino und Anthony Loviso noch immer zu seinen besten Freunden zählt und mit Terrazzino in Karlsruhe eine Weile in einer WG wohnte, »auch wenn die Wohnung eine Katastrophe war«, wie er sagt. Auch Manuel Gulde und Philipp Meyer haben noch immer ein enges Verhältnis. »Ich war beim Relegationsspiel des KSC dabei, als Manuel fast aufgestiegen ist«, sagt Meyer. »Ach, sind wir gar nicht aufgestiegen«, fragt Gulde scherzhaft in die Runde. »Das ist im Profibereich etwas ganz Besonderes. Dass man richtige Freunde hat. Wir haben einander immer alles gegönnt. Auch heute noch. Das ist cool«, sagt Pascal Groß und kramt in seiner Sporttasche, während sich die anderen über alte Zeitungsartikel und Mannschaftsfotos beugen.
Denn natürlich endet diese Geschichte auch auf dem Neckarauer Bolzplatz, wo sich Groß und Terrazzino nach dem Treffen noch die Bälle um die Ohren schießen, am ersten Tag ihres Urlaubs, als gebe es selbst als Profifußballer nichts Großartigeres, als mit den alten Kumpels zu kicken. Und vielleicht gibt es das auch nicht. Groß trägt dabei ein altes Hoffenheimer Trikot – mit der Nummer 17 und dem Namen »Terrazzino«.
Text: Stephan Reich Bild: Manuel Hauptmannl / 11 Freunde Magazin für Fußballkultur 28.2.2016